Der juristische Gutachtenstil.
Der Gutachtenstil zeichnet sich gegenüber dem Urteilsstil dadurch aus, dass die Begründung vor dem Ergebnis geliefert wird. Ziel ist es, Für und Wider schematisch und unvoreingenommen gegeneinander abzuwägen. Dabei ist der kürzeste Weg nicht immer der bestmögliche, geht es doch gerade in universitären Übungsarbeiten darum, Problembewusstsein und juristische Denkweise sowie Kenntnis von Rechtsprechung und Literatur zu überprüfen.
Die Darstellung soll im Konjunktiv erfolgen, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass gerade die Abwägung und nicht das Ergebnis im Vordergrund stehen. Eine reine Tatsachenfeststellung ginge insofern fehl. Verbreitet ist die Angewohnheit Formulierungen wie „A könnte…“, „B müsste..“ oder „Wenn C … hätte…“ zu verwenden. Im Grunde genommen erweist sich diese Vorgehensweise als überflüssige Steigerung, denn an diesen Stellen vermag die Indikativform („kann“, „muss“) dieselbe Aussage zu vermitteln mit dem Vorteil, dass der Stil insgesamt „glatter“ und weniger schematisch wirkt. Aber dies ist sicher Geschmackssache.
Auf Füllwörter wie „zweifellos“, „unstreitig“ oder „wohl“ ist hingegen in jedem Fall zu verzichten!
Ebenso ist jegliches präjudizieren (Vorwegnahme des Prüfungsergebnisses) falsch!
Meinungen sind nie als „herrschend“ oder „Mindermeinung“ zu kennzeichnen, dies widerspräche einer wertfreien Auseinandersetzung mit den vertretenen Auffassungen, wie sie vom Bearbeiter verlangt wird. Festgestellte Ergebnisse sollen nach Möglichkeit nicht mehr in Zweifel gezogen werden.
Unbedingt ist auch auf den konkreten Fallbezug zu achten. Die Darstellung von irrelevanten Kenntnissen, die nichts zur Lösung der im Sachverhalt angelegten Probleme beiträgt bringt Minuspunkte.
Im Übrigen hat der „Ich“-Stil in einer juristischen Arbeit absolut keine Existenzberechtigung, „Dialoge“ mit und schriftliche Erklärungen gegenüber dem Korrektor sind unangebracht.
Das die Gerichtssprache Deutsch auch in Klausuren und Hausarbeiten fehlerfrei angewandt werden muss ist eine Selbstverständlichkeit.
Im Gutachten (insbesondere in Anfängerklausuren) ist nur ausnahmsweise (bei völlig unproblematischen Punkten) ein Rückgriff auf den Urteilsstil zulässig.